Kafka und das theologisch politische Problem. Zweiter Teil
Was hat Jakobs Bruder Esau getan, um den Hass Gottes zu provozieren? „Ich Jakob lieb und hasse Esau und habe sein Gebirge öde gemacht und sein Erbe den Schakalen zur Wüste“ (Maleachi 1: 2-3). Esau wird von Gott seit jeher, schon vor seiner Geburt, gehasst. Es liegt dem Verhalten Gottes also kein ethisches Prinzip zugrunde.
Bei Hiob und Esau wie bei Kafkas Prozess stehen wir vor dem Problem der politischen Theologie, indem die Gestalt Gottes, die bei Kafka schon gänzlich säkularisiert und aufgehoben ist, nur entscheidet.
Nun aber gibt es einen großen Unterschied zwischen der traditionellen Lehre von der politischen Theologie und wie sie bei Kafka repräsentiert ist.
Dieser Unterschied lässt sich in einer binären Struktur darstellen. Auf der einen Seite lässt sich die traditionelle Lehre mit dem folgenden Ausdruck zusammenfassen: die Intervention und die Einmischung des souveränen Prinzips, das das Entscheidungsvermögen besitzt und es beherrscht, wirkt darauf, Ordnung und Geschichte durch das Gesetz vor Chaos zu schützen. Nach dem katastrophalen Versagen des Gesetzes im 20. Jahrhundert ist diese geistige Haltung jedoch völlig unhaltbar.
Auf der anderen Seite, wozu auch Kafka gehört, begegnen wir einer gegenteiligen Haltung, die sich folgendermaßen zusammenfassen lässt: die Intervention des souveränen, entscheidenden Prinzips ist von Natur aus dasselbe Chaos, das es sie vermeiden sollte. Die Ordnung und die geschichtliche Entwicklung, die in der Einmischung des souveränen Prinzips ihren Ursprung finden, sind Chaos, das nichts anderes als ein mythischer Ausdruck für Gewalt ist. Im Kafkas Prozess wird K. durch Ordnung und Gesetze am Ende und grundlos getötet.